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BUND warnt vor illegaler Holzräumung in den FFH-Gebieten
Der trockene Sommer hat den Fichten in vielen Forsten zugesetzt. Insbesondere der Borkenkäfer reagiert darauf mit einem erheblichen Populationszuwachs. Er beschleunigt damit den natürlichen Bestandsumbau hin zu standortangepassten, artenreichen Laubwaldbeständen, wie sie für Naturschutzgebiete typisch sein sollen. Zugleich verschaffen die befallenen Fichten vielen bedrohten Tierarten einen bedeutenden Nahrungszuwachs, Spechte profitieren erheblich. Aus Naturschutzsicht ist der Borkenkäferbefall ein großer Gewinn für die Schutzgebiete und Zeugnis der Selbstheilungskräfte der Natur. Sie bemüht sich nach Kräften, über den Weg des Bestandsumbaues den Nadelforst in einen klimaangepassten Naturwald zu verwandeln.
Zugleich hat die Forstwirtschaft sich die Aufgabe gesetzt, den Borkenkäferbefall soweit als möglich durch zusätzlichen Einschlag zu bekämpfen. Sie läuft dabei in den Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH) Gefahr, gegen geltende rechtliche Vorschriften zu verstoßen. Denn die Einschläge sind wegen ihres Umfanges und der Wirkung auf z. B. Spechtarten geeignet, die Naturschutzziele der FFH-Gebiete erheblich zu beeinträchtigen. Die Maßnahmen sind daher entsprechend kritisch zu prüfen.
Eine für solche Fälle vom Bundesgesetzgeber vorgesehene FFH-Prüfung findet jedoch in der Regel nicht statt. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob solche Einschläge der sogenannten „guten fachlichen Praxis“ entsprechen oder nicht, sondern ob sie geeignet sind, die Schutzziele erheblich zu beeinträchtigen. Davon kann regelmäßig ausgegangen werden.
Der BUND fordert daher nach den negativen Erfahrungen im FFH-Gebiet Naafbachtal in diesem Sommer zur Beachtung der rechtlichen Vorgaben auch durch die Forstwirtschaft auf. Es liegt bei der Kreisverwaltung in Siegburg, für die Rechtsanwendung entsprechend Sorge zu tragen.
Dass noch immer Fichtenschläge nach der Ernte erneut mit Fichte aufgeforstet werden, erscheint angesichts der veränderten Klimabedingungen unverständlich.
Hintergrund:
Bereits das großräumige Räumen von Flächen mit Käferbefall schadet den Schutzzielen des FFH-Gebietes und ist daher nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes (Urt. v. 10.01.2006 - C-98-03 -, NVwZ 2006, 319) im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung kritisch zu hinterfragt. Die großflächige Entnahme von Holz führt nicht nur zu großflächigen Schäden und Störungen, sondern entnimmt dem Schutzgebiet auch wertvolle Lebensraumstrukturen und (potentielles) Totholz.
Juristisch geht es um die Frage, ob die aktuellen Eingriffe ein „Projekt“ darstellen und damit die Pflicht zur FFH-Prüfung ausgelöst wird. „Entscheidend für das Vorliegen eines Projekts ist nach der zitierten Entscheidung des EuGH (Urt. v. 10.01.2006 - 9 C 98/03 -, a.a.O.), ob eine Tätigkeit zu erheblichen Beeinträchtigungen der Umwelt in einem FFH-Gebiet führen kann. Projekte sind daher auswirkungsbezogen zu fassen (vgl. Frenz/Müggenborg, BNatSchG, Kommentar, 2011, § 34 Rdnr. 28).“ (VG Hannover, Urteil vom 31. Januar 2013 – 4 A 5418/12, Rn. 42 ff.). Insofern legitimieren auch bestimmte Regelungen im Landschaftsplan oder in einer Schutzgebietsverordnung die Maßnahmen nicht automatisch, da sie europarechtliche Vorgaben nicht zu brechen vermögen.
Aus dem Urteil aus dem Jahre 2006 folgt, dass landwirtschaftliche, fischereiliche oder eben forstwirtschaftliche Nutzung auch dann unter den Projektbegriff fallen kann, wenn sie der guten fachlichen Praxis entspricht. Es muss geprüft werden, ob sie zu erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets führen kann.
V.i.S.d.P.:
BUND-Kreisgruppe Rhein-Sieg
Achim Baumgartner (Sprecher)
Steinkreuzstraße 10/14
53757 Sankt Augustin
02241 145 2000